Hier wurde in den 70er und 80er Jahren Tauchgeschichte geschrieben:
Ein Grossteil der heute verwendeten Tauchtabellen und Programme von Tauchcomputern beruht direkt oder indirekt auf dem „Bühlmann-Modell“. Jeder Dekompressionsalgorithmus, der mit „ZH“ beginnt, basiert auf Forschungsarbeiten aus unserem kleinen Binnenland.
Pioniergeister
Die Initiative zur Dekompressionsforschung lag dabei nicht bei Bühlmann selbst, sondern sie kam von dem jungen Winterthurer Mathematiker Hannes Keller, der sich in den Kopf gesetzt hatte, zu zeigen, dass ein sicherer Tauchgang bis an den Rand der Kontinentalschelfe auf 300m Wassertiefe machbar ist.
Keller fand in dem Zürcher Professor für Pathophysiologie Albert Alois Bühlmann einen Mediziner, der innovativ und mutig genug war, sich mit ihm zusammen in dieses Abenteuer zu stürzen. Diese Zusammenarbeit gipfelte1962 auf dem 313 Meter tiefen Meeresgrund vor der kalifornischen Insel Catalina. Keller hatte sein Ziel erreicht und der Schweizer hielt während über zehn Jahre den Rekord für den tiefsten Freiwassertauchgang!
Die Ölindustrie tritt auf den Plan
Diesen Erfolg sah auch die Ölindustrie, die mit einem hoch dotierten Forschungsvertrag auf das Duo Bühlmann/Keller setzte um die Möglichkeiten für wirtschaftliche Offshore-Tauchgänge zu erweitern. Dabei entstanden Tieftauchtabellen, die viel kürzere Dekompressionszeiten ermöglichten, als sie noch wenige Jahre zuvor vorstellbar waren und Gasmischungen, die trotz grossem Umgebungsdruckes eine gute Arbeitsleistung ermöglichten. Hierfür mussten auch über das High Pressure Nervous Syndrom (HPNS), das sich u.a. als unkontrollierbares Zittern der Hände in Tiefen über 150m zeigt, neue Erkenntnisse gewonnen werden.
Unter Verwendung von Teilen der Ausrüstung für den Catalina-Rekordtauchgang von 1962 wurde dann ein kleines mehrplätziges Druckkammerlabor gebaut.
Auch dessen Möglichkeiten reichten jedoch bald nicht mehr aus um sichere Tieftauchversuche durchzuführen. 1973 nahm deswegen eine einzigartige Anlage zur Simulation grosser Tauchtiefen den Betrieb auf. Gleichzeitig trennten sich die Wege Kellers von denen Bühlmanns.
Der Aviatik-Ingenieur Benno Schenk konstruierte eine Forschungs-Druckkammer, die Drücken entsprechend 1000m Tauchtiefe standhalten konnte (101 bar), die aber auch einen Unterdruck, wie er in ca. 5900m Höhe über N.N. (0.5 bar) herrscht, erzeugen konnte. Sie war geräumig genug, mehreren Probanden einen mehrwöchigen Aufenthalt darin zu ermöglichen. Gleichzeitig bot sie Möglichkeiten zur Gasanalyse und zur Kommunikation sowie messtechnische Ausrüstung, die notwendig waren, um die offenen Fragen der Dekompressionsforschung zu beantworten. Dazu gehörte auch die Gelegenheit „echte“ Tauchgänge, d.h. solche in einem Tauchbecken, durchzuführen.
Es etablierte sich mit der Zeit ein hochkompetentes zuverlässiges und innovatives Spezialisten- und Probandenteam um Bühlmann, welches die technische und wissenschaftliche Leistungsfähigkeit des Druckkammerlabors garantierte und letztlich 1981 das Erreichen der Rekordtiefe von 575m (u.a. mit Livio de Toffol; s. unten) feiern konnte.
Umnutzung
Dieser Erfolg läutete aber auch das allmähliche Ende der Forschungsarbeit durch das Druckkammerlabor ein, denn er bewies, dass das „Bühlmann-Modell“ ausgereift und weitere Forschung in diesem Bereich nicht mehr notwendig war.
Trotzdem wurde das Druckkammerlabor weiter betrieben um Taucher nach Dekompressionsunfällen zu versorgen und um Patienten z.B. mit schlecht heilenden Wunden nach Operationen oder Bestrahlungen mit hyperbarem Sauerstoff zu behandeln. Bühlmann war weiterhin ein gefragter Spezialist in der Behandlung von Tauchunfällen und für Fragen der Dekompressionsphysiologie.
Tauchcomputer
Während das Wissen über sichere Dekompression wuchs, schritt auch die technische Entwicklung insbesondere in der Datenverarbeitung soweit fort, dass es anfangs der 80er Jahre möglich erschien, einen sehr kompakten Computer mit dem Bühlmann-Algorithmus zu programmieren und am Handgelenk mit zum Tauchen zu nehmen - der Tauchcomputer war geboren. Die Geschichte um die Entwicklung des „Deco Brains“, die auch dank dem Sponsoring und der Vermarktung durch Hans Hass persönlich als erster Tauchcomputer unter Sporttauchern eine gewisse Verbreitung fand, und schliesslich dem legendären „Aladin“, ist verworren. Es kam zu Streitigkeiten um Patente über deren Ursachen verschiedene Meinungen kursieren.
In der späten Phase seiner Arbeit, d.h. nach Abschluss der Tieftauchversuche und gleichzeitig der Zusammenarbeit mit Shell ab 1981 fokussierte Bühlmann seine Arbeit vor allem auf die Behandlung mit hyperbarem Sauerstoff bei Tauchunfällen und anderen Erkrankungen, die Unterstützung der Entwickler von Tauchcomputer und die Publikation seiner Bücher ab 1984. Seinen Ruhestand, in den er 1991 eintrat, konnte er nur knapp drei Jahre lang geniessen, bis er 1994 plötzlich und unerwartet an Herzversagen verstarb.
Altes Eisen?
Das Druckkammerlabor am USZ spiegelt zwar nur einen Teil der Dekompressionsforschung Made in Switzerland wider, ist aber das greifbarste und eindrucksvollste Zeugnis dieser Zeit. Es wurde noch bis zum Beginn der 2000er Jahre als Therapiedruckkammer betrieben und schliesslich stillgelegt. Es ist zwar nicht mehr betriebsfähig, aber in seiner Substanz existiert es noch. Noch, denn es soll im Rahmen der Umbaumassnahmen am Zürcher Universitätsspital in einigen Jahren dem Schneidbrenner zum Opfer fallen.
Dies zu verhindern hat sich der „Verein Historisches Druckkammerlabor Universitätsspital Zürich (DKL-USZ)“ zur Aufgabe gemacht. Die Forschungsdruckkammer soll das Hauptexponat eines Museums werden, in dem die Geschichte der Dekompressionsforschung in der Schweiz und Ihre Bedeutung für die Berufs- und Sporttaucherei in aller Welt umfassend dargestellt wird.
Die Geschichte der Dekompressionsforschung zeigt, dass es eine Menge Swissness nicht nur bei Schoggi, Käse oder Uhren gibt, sondern auch unter Wasser.
Hier ein Link zur Pressemitteilung
Hier der Link zum Verein Druckkammerlabor Universitätsspital Zürich
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